Positionen
Mit Beiträgen von Kurt Smetana, Rudolf Szedenik, Franz Artner, Franz Bunzl, Rupert Schatovich und Walter M. Chramosta
PublikationTextauszug:
Einleitungstext von Kurt Smetana und Rudolf Szedenik
Zur Situation
In der heutigen Diskussion nach Heimat könnte man den Eindruck gewinnen, daß historisierendes Bauen Quelle der Vertrautheit in einer sich rasch wandelnden Welt, die letzte Zuflucht für die Sehnsucht nach zeitgenössischer Architektur, sei. Informations- und Arbeitsprozesse haben unsere Gebundenheit an einen Ort mit seinen sozialen, ökonomischen und räumlichen Strukturen gelockert. Bauliche Vertrautheit ist das letzte Festklammern an diesen Ort. Harmonie suggerierende Begriffe wie Dorferneuerung unterstützen in diesem Bestreben des Festhaltens.
Doch diese erste Analyse hält einem zweiten Blick nicht Stand, denn all das, was vordergründig als ortsgebunden verstanden wird, hat nichts mit dem Ort, weder mit seiner Geschichte noch mit seiner sozialen und räumlichen Realität in der Gegenwart zu tun. Wesentliche Kriterien, die der Ort vorgibt, wie Typologie, Ordnung und Maßstab sind kein Thema für diese oberflächliche Ortsgebundenheit, die sich nur applizierter Motive als Versatzstücke sentimentaler Erinnerung bedient. Versuche, die Typologie an unsere Anforderungen zu adaptieren, wurden kaum unternommen, die Verletzung der Ordnung sowie der rücksichtslose und unsensible Umgang mit dem Maßstab sind die eigentlichen Ursachen für die Zerstörung der Dörfer.
Die Fixierung auf ein Ortsbild verschleiert aber auch die Notwendigkeit und die Möglichkeit, sich mit den Bedingungen der Zeit auseinander zu setzen. Moralisierende Begriffe von der Ehrlichkeit des Bauens wollen wir nicht wieder aufleben lassen, aber vielleicht doch die Armseligkeit benennen, die entsteht, wenn man sich nicht der Vielfalt und Komplexität der Zeit stellt.
Die Illusion der Puristen am Beginn der Moderne, daß aus technischen, sozialen und ökonomischen Randbedingungen Formen ableitbar wären, ist nicht die unsere, aber die Lust, unsere ästhetischen Hervorbringungen in höchster Schärfe an diesen Randbedingungen zu messen, wird uns vor der Armseligkeit retten.
Neues zerstört in einer Hinsicht das Alte - und es kann keine Regeln geben, welche Aspekte des Alten die schützenswerten sind. Die Entscheidung, über welche Vorgaben des Ortes man sich hinwegsetzen darf, um eine zeitgemäße Antwort auf eine Bauaufgabe zu finden, liegt überwiegend in der Verantwortung der am Prozeß Beteiligten und in ihrer Beurteilung der Qualitäten des Neuen, die ein Gewinn für den Ort sind. Das ästhetische und argumentative Niveau dieser Auseinandersetzung wird schließlich der Maßstab unserer Baukultur sein.
Das Bauen - ein gesellschaftlicher Prozeß.
Der Prozeß, den wir Baukultur nennen, ist - wie jede künstlerische und kulturelle Frage - davon abhängig, wie man sich von den angebotenen, vordergründigen Antworten und Bildern emanzipiert und sich in neugieriger Offenheit aller zur Verfügung stehenden Informationen bedient. Baukultur ist im Burgenland kaum, höchstens im Zusammenhang mit dem Begriff des ortsbildgerechten Bauens, zu einem öffentlichen Thema geworden.
Architektur, die dem komplexen Anspruch genügen soll, braucht zwei Partner: den offenen emanzipierten Rezipienten und den zum Öffentlichen Diskurs bereiten Schaffenden. Nur wenn es Personen gibt, die bereit sind, eine breite Öffentlichkeit für diese Thematik zu schaffen, kann dies zu einer Rezeption moderner Architektur führen, die die Grundlage für eine weiterentwickelte Baukultur ist.
Die Abwesenheit eines Diskurses, der überall stattfinden sollte, ist zu beklagen. Die oben beschriebene Auseinandersetzung fehlte bisher im Burgenland. Dies hat mehrere Gründe; einerseits gibt es keine Medienstruktur, die Träger dieses Diskurses sein könnte, andererseits gab es bisher auch keine Plattform, die für Öffentlichkeit in dieser Sache sorgte.
Zeitgemäßes Bauen im Burgenland ist oft mit gesellschaftlichen Konflikten verbunden. Einige Personen, für die dieser Konflikt stark spürbar ist, haben sich zusammengefunden, um moderne Architektur zu thematisieren und ein Forum für dieses Anliegen zu schaffen.
Zur Positionsbestimmung
Als erstes war eine Bestandsaufnahme aktueller moderner Architektur im Burgenland notwendig. Das Ergebnis kann nun in Form einer Ausstellung und eines Kataloges präsentiert werden. In einer Reihe von Besichtigungsreisen wurden Beispiele zeitgenössischer Architektur vom genossenschaftlichen Wohnhaus bis zum Einfamilienhaus, vom sakralen Bauwerk bis zum Industriebau besichtigt. Aus den etwa 40 begutachteten Projekten wählte der Vorstand des Vereins spontan und subjektiv 18 Projekte, die Anregung zu einem Diskurs sein sollen, für die Ausstellung.
Nicht die Einfügung eines architektonischen Bildes am Ort war das Kriterium für die Auswahl, sondern die Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen Bedingungen des Ortes und die Position, die dazu bezogen wurde. [positionen]18 nennt sich daher auch die Ausstellung. Jede Position hat mehrfache Bedeutung: Die subjektive Verantwortung der am Entstehen eines Bauwerkes Beteiligten als integraler Bestandteil im Prozeß Baukultur; Position zu beziehen bedeutet auch, daß es nie eine endgültige Antwort auf die Frage nach der Veränderung unserer gebauten Umwelt geben kann und endgültige Antworten zu schablonenhafter Erstarrung führen. Jede Bauaufgabe muß neu formuliert werden, das Ringen um die Antworten wird schlußendlich als Position sichtbar.
Diese Positionen werden Gegenpositionen hervorrufen. Damit wäre der Beginn einer notwendigen Auseinandersetzung zum Thema modernes Baum in der Öffentlichkeit gegeben. Diesen Prozeß in Bewegung zu halten wird ein Hauptanliegen des Vereins „Architektur-Raum-Burgenland“ sein.