Klaus-Jürgen Bauer (1963 – 2025)
NACHRUF„Gute Architektur entsteht dann, wenn genau zwei Faktoren zusammenkommen: gute Bauherren und engagierte Architekten.
Leider ist diese fruchtbare Verbindung in der Provinz vielfach inexistent. Es fehlt das eine, oder es fehlt das andere.
Was Architektur in der Provinz daher vermutlich am meisten braucht, ist das Bewusstsein um ihren Mehrwert.
Das wiederum braucht Persönlichkeiten, die ein persönliches Interesse an der Baukultur entwickeln und dieser Gesinnung in konkreten Bauwerken auch zum Durchbruch verhelfen.“ ¹
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Der ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND trauert um Architekt Klaus-Jürgen Bauer.
Der wohl wichtigste Vermittler von Architektur und Baukultur im und aus dem Burgenland der letzten Jahrzehnte ist tot.
Er hinterlässt ein weites Spektrum an architektonischen, publizistischen und literarischen Werken.
Unermüdlich kämpfte er für den Erhalt der Streckhöfe und ein qualitätsvolles Weiterbauen der Dorfstrukturen im Nordburgenland.
Klaus-Jürgen Bauer studierte Architektur an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien in der Meisterklasse Holzbauer und an der Bauhaus-Universität Weimar, promovierte 1997 und gründete anschließend sein Architekturbüro in Eisenstadt.
Seit seiner Studienzeit war er in der Lehre tätig und hielt Vorträge an internationalen Universitäten.
Sein architektonisches Oeuvre umfasst private als auch öffentliche Bauten, Wohnbauten unterschiedlicher Maßstäbe, Umbauten und die Sanierung denkmalgeschützter Gebäude, Innenarchitektur und Ausstellungsgestaltungen.
Hauptaugenmerk seiner Arbeit war das behutsame Sanieren historischer Bausubstanz, wie zahlreiche Stadthäuser in Eisenstadt und Streckhöfe in Ostösterreich veranschaulichen. Zu seinen Bauherr:innen zählte u.a. die Stiftung Esterhazy, mit der er u.a. 2009 das Café Maskaron im Schloss Esterházy mit Künstler Peter Baldinger gestaltete. 2010 wurde er dafür mit dem Architekturpreis des Landes Burgenland ausgezeichnet. Eines seiner letzten Projekte – die Stadtvilla Eisenstadt – wurde kürzlich eröffnet.
Er wirkte in zahlreichen Fachgremien, arbeitete am 1. und 3. Baukulturreport des Bundes mit, und war als Bausachverständiger in vielen Gemeinden tätig. Seine Jurytätigkeiten waren stets bestimmt von seiner klaren architektonischen Haltung und entschieden die Wettbewerbsergebnisse wesentlich. In seiner Arbeit mit den Gemeinden versuchte er stets das Weiterschreiben der typisch burgenländischen, schmalen Dorftexturen zu vermitteln, u.a. mit der Initiierung des Wettbewerbs und der Umsetzung der Wohnbebauung in der Unteren Hauptstraße 39 in Wulkaprodersdorf – ein Beispiel einer Nachverdichtung im Ortskern, das 2010 ebenso den Architekturpreis des Landes Burgenland gewann (Architektur: polar÷).
Von 2000 bis 2006 war Klaus-Jürgen Bauer Obmann des Vereins ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND, danach Kurator, und bis zuletzt Ideengeber. Im Rahmen seiner Tätigkeiten in dem Architekturhaus entstanden erstmals bilaterale Kooperationen mit den ungarischen Mitstreiter:innen und wichtige Publikationen wie z.B. „Neue Architektur in Burgenland und Westungarn“ mit Otto Kapfinger.
Sein über die Jahrzehnte in Erfahrung gebrachtes Wissen über die Sanierung von Streckhöfen wurde stets geteilt und vermittelt – in Publikationen, Essays, Ausstellung, Vorträgen und mit der Initiative des „Streckhofinsituts“ unter dem Motto: „Rettet die Streckhöfe!“.
Mit dem Buch „Streckhöfe“ wird die burgenländische Hausform Kindern vermittelt, mit der Ausstellung „Die Zukunft burgenländischer Streckhäuser“ wurden Nachnutzungspotenziale der historischen Bausubstanz und eine zeitgemäße Nutzung vorgezeigt, und mit der Publikation „Zurück zur Mitte“ wurden Strategien zur Ortskernbelebung diskutiert.
Seine Publikationstätigkeiten umfassten Fach- und Sachbücher, Sammlungen an Essays und eigenen Fotostrecken.
Mit „Künstlerhäuser“ initiierte er eine Publikationsserie des ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND, im Rahmen derer u.a. die Atelierhäuser Carl Pruschas und Josef Bernhardts portraitiert wurden.
Mit der Streitschrift „Entdämmt Euch!“ trat er öffentlich gegen den antiökologischen Dämmwahn der gegenwärtigen Bauwirtschaft auf.
Er verfasste Beiträge und Essays für Presse und Verlage, seit 2021 bis heute veröffentlichte er als „Fassadenleser“ wöchentlich eine Kolumne im Falter, mit der eine kontinuierliche Form der Architekturvermittlung in der breiten Öffentlichkeit – was sich in der heutigen Zeit als selten erweist – erfolgreich etabliert werden konnte. Unter jenem Synonym trat er auch auf sozialen Kanälen auf und begeisterte weitere Interessensgruppen für Baukultur. Kürzlich wurde sein letztes Buch „Sprechende Fassaden“ veröffentlicht.
Klaus-Jürgen Bauer war eloquent, diskursiv, belesen. Er setzte Ansprüche, nahm und forderte Haltung ein.
Er war gleichermaßen gesellig, enthusiastisch, positiv und lebensfroh. Arbeitsam und reflektiert bewerkstelligte er leidenschaftlich die Vielzahl seiner Unternehmungen und Projekte. Nonchalant widmete er sich Bedürftigem, Unschönem, Banalem.
Provokant und leichtfüßig begegnete er Herausforderungen und Widerständen. Maßvoll und dennoch gewitzt gab er sich in seinen Worten, Texten, Analysen und Kritiken.
Der ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND verliert mit Klaus-Jürgen Bauer einen genialen Kollegen, Mitstreiter und Impulsgeber.
Das Burgenland verliert mit ihm eine baukulturelle Autorität und Entität.
Was bleibt ist seine facettenreiche Identität.
Klaus-Jürgen Bauer ist im Alter von 62 Jahren verstorben. Unsere Gedanken sind bei seiner Familie.
Ein Nachruf von ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND (Text: Nikolaus Gartner)
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„Wenn wir als glauben, dass es Aufgabe der Architektur ist, anständiges Bauen für durchschnittliche Leute zu organisieren, so sollten wir im 21. Jahrhundert in unserer Region vor allem über diesen Bereich nachdenken: über guten Wohnraum für migrative Bevölkerungsschichten, über Geschoßwohnhausbau, über Reihenhausbau am Land, über vereinheitlichte Mikroterritorien.“ ²
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¹ Klaus-Jürgen Bauer in ARCHITEKTUR RAUMBURGENLAND 1993-2018, S. 21
² Klaus-Jürgen Bauer in Pannonien. Archipel 2007
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Werkliste (Auswahl)
2005 Umgestaltung Offizin Salvatorapotheke, Eisenstadt (mit Fritz Brandlhofer)
2006-09 Wohnhausanlage „Stadtbalkon“ Eisenstadt
2007-10 Wohnhausanlage „Landbalkon“ Wulkaprodersdorf
2008-09 Café Maskaron, Eisenstadt
2009-11 Vinothek Selection, Eisenstadt
2010 Museumsshop Schloss Esterhazy, Eisenstadt
2012 Ausstellungsgestaltung „Bernsteinstraße“, Burgenländisches Landesmuseum
2013-15 Umgestaltung eines historischen Meierhofes (Genussakademie Donnerskirchen)
2013-18 Umgestaltung Weingut Weninger, Horitschon
2014 30 Reihenhäuser GARTENÄCKER, Eisenstadt
2014 Quattrohäuser, Wulkaprodersdorf
2014 Wohnhausanlage MARKO 67, Neudörfl
2019 Umgestaltung historische Abdeckerei zu einem Wohnhaus, Wulkaprodersdorf
2020 Umgestaltung Renaissancegebäude, Wulkaprodersdorf
2021-25 Stadtvilla Eisenstadt
Publikationen (Auswahl)
2007 Pannonien Archipel. Theorie der Provinz, Lex Liszt (Hrsg.)
2015 Zurück zur Mitte
2015 Entdämmt euch. Eine Streitschrift, Lex Liszt (Hrsg.)
2019 Streckhöfe - Ein Lookbook. Leitfaden zur Sanierung.
2021 Lobe des Bauens, Editionmarlit
2022 Streckhöfe: Ein Buch mit Gisa, der Architekturgans, wortweit-Verlag (Hrsg.)
2022 Hausgiebelsätze. Ein Lookbook
2022 Drei Traktate zu einer Theorie der Architektur
2024 Das Runde in der Architektur. Ein Lookbook
2025 Sprechende Fassaden, Falter-Verlag (Hrsg.)