Herwig Udo Graf 1940 - 2023
NACHRUFHerwig Udo Graf 1940-2023
„Müsste man die burgenländische Architekturentwicklung im 20. Jahrhundert mit einem Satz charakterisieren, so würde man vermutlich die Suche nach einer neuen baulichen Identität in den Mittelpunkt stellen.“, schreibt Friedrich Achleitner 1983 in „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert.“. Ein Akteur, der jene bauliche Identität des heutigen Burgenlands damals prägte, war Architekt Herwig Udo Graf.
In den 1960iger und 1970iger errichtete die öffentliche Hand unter Theodor Kery zahlreiche Schulen und Kulturzentren im Burgenland. Das Bild für diesen Aufbruch, für Fortschritt und das moderne Zeitalter sollte durch eine Architektur geprägt werden, die heute dem Brutalismus zuzuschreiben ist.
Zu dieser Zeit begann Graf nach seinem Studium u.a. bei Karl Schwanzer seine Tätigkeit als Architekturschaffender im Burgenland und etablierte sich schnell als hiesiger Architekt. Graf errichtete zahlreiche öffentliche Gebäude (u.a. das Kulturzentrum Mattersburg und die Volksschule Strem) und Aufbahrungshallen. Zu seinen Werken zählen u.a. die Sparkasse der „Sauerbrunner“ in Mattersburg, das Parkhotel Mikschi in Eisenstadt und der Landtagssitzungssaal der burgenländischen Landesregierung. Viele seiner Gebäude stehen heute unter Denkmalschutz. Womöglich verbrachte jede/r Burgenländer/in einen kurzen Aufenthalt in einem seiner Gebäude: Im Haus Burgenland in Altenmarkt. Graf entwarf auch die heute als „Spitzhütte“ bekannte Ferienhaustypologie am Neusiedlersee – ein auf das Dach reduzierter und schilfgedeckter Pfahlbau – die prototypisch oft kopiert und prägend für das Landschaftsbild wurde.
Während in den 1920igern, 1930igern und 1950igern hauptsächlich Wiener und Grazer Architekt/innen im Burgenland tätig waren, stellte sich durch Grafs regionale Etablierung (neben Matthias Szauer) eine Dekolonisierung auswärtiger Architekturschaffender ein. Mit der Dekolonisierung ging auch eine Emanzipierung von der aus städtischer Perspektive geführten Architekturdiskussion hervor, die die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen im Land verkannte.
Grafs Bauten zeichnen sich durch eine hohe Aufmerksamkeit für Details und die klare Organisation neuer Bautypologien aus. Gemeinsam mit der Sonderstellung des sozialdemokratischen Programms prägte Graf (neben Matthias Szauer) den identitätsstiftentenden Stil des „burgenländischen Brutalismus“.
Als befremdlich beschrieben, negativ konnotiert und einseitig rezipiert, litt diese Architekturperiode lange Zeit unter Geringschätzung. Seit kurzem erfährt die Zeitschichte und das Werk Grafs eine neue Aufmerksamkeit: Eine Bürgerinitiative trat für den Erhalt des brutalistischen Erbes ein und konnte eine Teilunterschutzstellung des Kulturzentrum Mattersburg erwirken. Selbiges Projekt war zentraler Teil in der Ausstellung „SOS Brutalismus“ 2018 im Architekturzentrum Wien.
Mit der begonnenen Wiederentdeckung des „Burgenländischen Brutalismus“ durch engagierte Burgenländer/innen, kann dem Werk Herwig Udo Grafs eine wichtige Stellung in der österreichischen Architekturgeschichte zugeschrieben werden.
Seit 2017 ist sein Archiv Teil der Sammlung des Architekturzentrums Wien.
Herwig Udo Graf verstarb am 12. Dezember 2023.
Der Architekturraum Burgenland trauert um einen für Burgenlands Baukultur unentbehrlichen Menschen. Herwig Udo Graf.
Ein Nachruf von Nikolaus Gartner / Architektur RAUMBURGENLAND
Wir möchten auf den Nachruf von Johann Gallis und Albert Kirchengast / DOCOMOMO Austria hinweisen: