Baukultur
Burgenland ist ein Land der Dörfer – diesen Stehsatz glaubt jeder sofort und ungeprüft. Burgenland ist ein Land der modernen Architektur – dieses Axiom würde bei vielen auf Unverständnis und Schulterzucken stoßen.
Ausgerechnet das Burgenland, über das man – wenn man aufs Bauen zu sprechen kommt – bestenfalls von den romantischen Streckhöfen und schlimmstenfalls von den verschandelten Dörfern berichten kann? In unserer Zeit der elektronischen Kommunikation ist es jedoch ziemlich gleichgültig, ob ein Architekt – also ein der Architektur als kulturelle Disziplin in ihrer gesamten geschichtlichen Dimension verpflichteter Mensch – in einem urbanen Zentrum oder in einem Dorf baut. Wir sollten davon ausgehen, dass die diskursbildenden Rahmenbedingungen der zeitgenössischen Architektur – abgesehen von den klimatischen, ökonomischen, historischen Spezifika – überall in unserer westlichen Zivilisation gleich sind.
Das bedeutet, dass es auch im Burgenland – warum auch nicht – zeitgenössische Architektur mit internationalem Qualitätsstandard geben kann. Man muss davon ausgehen, dass sich auch die hierzulande bauenden ArchitektInnen an solchen Standards orientieren. Und tatsächlich – wenn man einen selektiven Querschnitt des regionalen Baugeschehens der letzten Jahre betrachtet, dann kann man ohne Zweifel feststellen, dass hier – wenn auch aus historischen Gründen nicht in der Dichte wie in anderen europäischen Regionen – etliche Arbeiten entstanden sind, die sich in den Qualitätskontext des Bauens unserer Zeit einreihen. Manche davon sind im historischen Ortsbild verhaftet, manche nicht. Manche sind deutlich kontextuell, andere wieder ohne Interpretation nicht so ohne weiters lesbar. Spätestens mit den Ereignissen des Jahres 1989 ist das Burgenland jedenfalls einer auch architektonischen Normalität ausgesetzt, die in allen entwickelten Ländern gilt und eine regionalistische Sonderlösung ausschließt.
Burgenland liegt nun gemeinsam mit den slowakischen und ungarischen Nachbarn im Herzen einer der großen europäischen Regionen. Es wäre verwunderlich, wenn gerade hier nicht eine ebenso bedeutende Architektur entstehen könnte wie etwa im Basler Land, in der Gegend rund um Porto oder im Tessin.
Text: Klaus Jürgen Bauer; Auszug aus Neue Architektur in Burgenland und Westungarn, Otto Kapfinger, Verlag Anton Pustet, 2004
Bild: Eiermuseum in Winden am See v. gaupennraub +/-